Climate Action, Trade Empowerment und Citizen Advocacy
Leon Frantz Uganda Freiwilliger 2022 – 2023
Moin! Ich bin Leon, bin 27 und arbeite als Volunteer für das African Center for Trade and Development (ACTADE) in Kampala, Uganda. ACTADE arbeitet hauptsächlich zu Themen wie Climate Action, Trade Empowerment und Citizen Advocacy. Dabei arbeiten wir meistens an der Schnittstelle zwischen lokalen Gemeinden und öffentlichen Institutionen wie Ministerien oder Universitäten. Das heißt einerseits stehen wir mit Gruppen im ländlichen in Uganda in Verbindung und arbeiten dort in verschiedenen Projekten, um beispielsweise ihre Klimaresilienz oder demokratische Prozesse zu stärken. Andererseits sind wir auch in Dialoge mit den staatlichen Stellen involviert, um die Interessen dieser Gruppen bei der Ausgestaltung neuer Richtlinien und politischem Handeln einzubringen.
Um euch das ein bisschen näher zu bringen und zu zeigen, was das für meinem Arbeitsalltag bedeutet, stelle ich heute mal ein Projekt vor, bei dem ich zurzeit hauptsächlich die Verantwortung trage. Örtlich spielt das Ganze im Tororo Distrikt im ländlichen Gebiet im Osten von Uganda. Dort ist das Osukuru United Women Network (OWN) ansässig. Gegründet wurde dieses Network vor ungefähr 15 Jahren von einer handvoll Gemeindearbeiter:innen, die feststellten, dass die Frauen in ihrer Gemeinde von häuslicher Gewalt bedroht waren und keinerlei Ressourcen hatten, um damit umzugehen oder auch nur selbständig zu agieren. Deshalb gründeten sie eine Loans and Savings Associations. Eine Art Spargemeinschaft. Das funktionierte dann auch erstaunlich gut und unter der Leitung von Constance Okollet kamen immer mehr Frauen hinzu und immer mehr Themen wurden angegangen. Nachdem der Osten von Uganda unter extremen Dürren zu leiden hatte, wurde besonders der Klimawandel, dessen Auswirkungen auf das Leben in Osukuru und wie die Menschen vor Ort darauf reagieren können, eine Triebfeder für Constance und damit OWN. Mittlerweile zählt das Netzwerk über 2000 Mitglieder und Constance ist eine nachgefragte Rednerin über Ugandas Grenzen hinaus und ein Stammgast bei Klimakonferenzen der UN, um von den spürbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die am wenigsten vorbereiteten Mitglieder der Weltgemeinschaft zu berichten.
Die Idee zu diesem Projekt entstand Anfang Februar als Constance Okollet, die Vorsitzende und Gründerin von Osukuru United Women Network (OWN), Actade in Kampala besuchte. Während unseres Gesprächs erzählte Constance, dass die Maniokverarbeitungsanlage, die 2021 in einem gemeinsamen Projekt von OWN und der Distriktverwaltung von Tororo gebaut wurde, immer noch nicht betriebsbereit sei. Zwar seien das Gebäude und die Maschinen aufgestellt worden, aber der versprochene Anschluss an das Stromnetz und ein Brunnen seien noch nicht realisiert worden. Nach einigem Hin und Her mit dem Distrikt hätten die Beamten nun auch eingeräumt, dass die verfügbaren Mittel nicht ausreichten und die Gemeinde selbst für den Netzanschluss aufkommen müsse. Dies bedeutete eine erhebliche finanzielle Herausforderung, und OWN war sich nicht sicher, wie sie gelöst werden könnte. Und nicht nur der Anschluss wäre kostspielig, sondern vor allem auch die ständige Stromversorgung durch das nationale Netz selbst, was hohe Produktionskosten bedeutet, sobald die Anlage in Betrieb ist. Daher sprachen wir über eine eigene kleine Solarstromanlage, die die Produktion mit Energie versorgen, die Kosten senken und den Betrieb unabhängig vom unzuverlässigen Stromnetz machen würde.
Leider verfügen weder Constance, OWN noch ACTADE über das technische Fachwissen, um eine qualifizierte Bewertung vorzunehmen, ganz zu schweigen von einer Planung und Umsetzung. Also schrieb ich etwas unbedarft eine E-Mail an die Ingenieure ohne Grenzen (Engineers Without Borders – EWB), um zu schauen, ob sie uns bei dem Projekt unterstützen oder zumindest eine grundsätzliche Einschätzung geben können. Zu unserer Überraschung antworteten sie sofort und wollten sich unseren Bemühungen anschließen. EWB ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, technische Lösungen in Entwicklungsländern zu entwickeln und zu implementieren. Ihre Arbeitsbereiche reichen von Infrastrukturen wie Brücken, über Brunnen und Bewässerung bis hin zu nachhaltigen Energiesystemen für verschiedene Anwendungsbereiche. Die EWB hat ihren Hauptsitz in den USA und verfügt über eine ostafrikanische Niederlassung in Kampala. Einerseits arbeitet EWB mit Freiwilligen wie Studierenden oder pensionierten Ingenieur:innen aus den USA, die nach Ostafrika kommen, um bei verschiedenen Projekten zu helfen. Darüber hinaus gibt es aber auch fest angestellte Mitarbeitende aus Uganda, die sich um strategischere Projekte kümmern und bei der Auswahl ihrer Projekte etwas unabhängiger sind.
Glücklicherweise passte das OWN-Projekt gut in die zweite Kategorie und in die EWB-Strategie für Ost-Uganda. Nach einem sehr ermutigenden ersten Treffen beschlossen EWB und ACTADE, eine Partnerschaft einzugehen und ein Memorandum of Understanding abzuschließen. Das ist grundsätzlich ein Dokument, was einige Details zu der Partnerschaft enthält und das Ganze offiziell macht. Darüber hinaus einigten wir uns auf die Erstellung eines gemeinsamen Projektplans, einschließlich einer Reise nach Osukuru, um die Situation vor Ort zu beurteilen und die erforderlichen technischen und sozioökonomischen Daten zu sammeln.
Dementsprechend machten wir uns Ende März auf den Weg nach Osukuru und führten Interviews mit der örtlichen Gemeinde, beurteilten den Grundwasserspiegel, besichtigten die Maschinen und die Fabrik, sprachen mit den örtlichen Behörden und besuchte ähnliche Fabriken in der Gegend, um von deren Ansätzen zu lernen. Die ersten Eindrücke waren durchweg positiv. Wir konnten sehen, dass die Grundwasserreservoirs ausreichend groß waren, um die Fabrik und die umliegenden Haushalte zu versorgen. Die Maschinen waren zwar etwas staubig, aber intakt, und es gab genügend Platz, um Solarpaneele in der erforderlichen Größe zur Versorgung der Produktion zu installieren. Die Behörden unterstützten uns und waren zuversichtlich, dass unsere Erkenntnisse auch für die anderen Fabriken und Gemeinden in der Umgebung von Nutzen sein könnten. Wir verließen Osukuru mit viel Händeschütteln, Tänzen, vier Hühnern und einer Menge Motivation, das Projekt voranzutreiben und die Fabrik so bald wie möglich in Betrieb zu nehmen.
Jetzt, zurück in Kampala, haben die Ingenieure einen detaillierten Entwurf für ein Hybridsystem ausgearbeitet. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur auf die Solarenergie verlassen, sondern auch eine weitere Stromquelle installieren werden. Aufgrund der großen Mengen an Maniok erwarten wir, dass die Fabrik mindestens 16 Stunden pro Tag und 7 Tage pro Woche läuft. Natürlich wird die Sonne nicht in allen Betriebsstunden scheinen, so dass wir eine weitere Stromquelle benötigen. Häufig bedeutet das in Uganda, dass Dieselgeneratoren angeschlossen werden oder dass man sich doch noch zusätzlich an das Stromnetz anschließen lässt. Die optimale Lösung wäre für uns allerdings die Installation einer Biogasanlage und eines Generators, der das Biogas zur Stromerzeugung nutzt. Die Biogasanlage würde mit den Abfällen der Maniokproduktion und dem Mist der in der Nähe gehaltenen Tiere betrieben. Auf diese Weise könnte sich die Produktion durch die Nutzung der Abfälle selbst erhalten. Darüber hinaus kann zusätzliches Gas, das nicht für die Stromerzeugung verwendet wird, in LPG-Beuteln gespeichert werden und zum Kochen mit Gasherden genutzt. Insgesamt würde in diesem System bedeuten, dass die Abfälle ein zusätzliches Einkommen für die Gemeinde generieren und gleichzeitig ein unabhängiges Stromsystem bereitstellen.
Das größte Hindernis ist derzeit die Beschaffung von Geldmitteln. Die benötigten Solarpaneele sind recht teuer. Und auch wenn der Solarstrom über den gesamten Lebenszyklus der Paneele günstiger wäre als durch das staatliche Netz, verfügt OWN nicht über das nötige Kapital, um das gesamte Vorhaben im Voraus zu finanzieren. Deshalb bemühen wir uns intensiv darum, Geldgeber:innen und Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, um das Tempo zu erhöhen und sicherzustellen, dass OWN die Maniokernte so bald wie möglich in der eigenen Fabrik verarbeiten kann.