Start im lock-down in Rumänien

Jakob Vieler IJFD Freiwilliger 2020-21
Waldorfschule Rosia u. Grüne Kirchenburg Gusterita
Jakob Vieler, Waldorfschule Rosia
Heute ist der 10. Dezember. Ich lebe mittlerweile seit genau zwei Monaten als Freiwilliger in Rumänien, kann aber leider schon seit eineinhalb Monaten Corona-bedingt nicht mehr in meiner Einsatzstelle einer ländlichen Waldorfschule arbeiten. Die Waldorfschule liegt in dem kleinen, sehr idyllischen Dorf Rosia. Die Einwohner kennen sich untereinander und ein deutscher Freiwilliger fällt dem entsprechend schnell auf. Ich wurde häufig gefragt was ich denn in Rumänien mache, allerdings waren meine Antworten anfangs auf Grund der Sprachbarriere recht unbefriedigend. Die meisten Dorfbewohner sprechen ausschließlich Rumänisch. Die Lehrer an meiner Schule haben dagegen ein breiteres Sprachspektrum. Von perfektem Deutsch, über gebrochenem Englisch bis zu wiederrum ausschließlich Rumänisch ist alles dabei. Dank meiner Ansprechpartnerin Johanna (Schweizerin, die seit sieben Jahren in Rumänien lebt) meinem Sprachrohr, stellt die Verständigung mit meinen Kollegen kein wirkliches Problem da. Die ersten paar Tage sollte ich erstmal ins Schulleben reinschnuppern. Ich saß im Unterricht der ersten bis neunten Klasse (Schulen in ländlichen Gegenden Rumäniens gehen nur bis zu neunten Klasse) und ließ das Ganze erstmal auf mich einwirken. So lernte ich die spielerischen und kreativen Unterrichtsmethoden einer Waldorfschule kennen und kriegte einen ersten Eindruck zum Bildungsstand der Schüler. Als Pausenaufsicht lernte ich die kids und die kids mich kennen. Auch hier war die Sprachbarriere kein ernsthaftes Problem, weil die Schüler keine komplexen Gespräche mit mir führen wollten, sondern in erster Linie Fußball spielen und Springseil springen im Sinn hatten. Schon in der zweiten Woche wurde meine Rolle etwas aktiver. Ich setzte mich mit Schülern zusammen, die im Stoff etwas hinterher waren. Natürlich konnte ich noch nicht Neuntklässlern bei ihren Geschichtsaufgaben helfen, aber in Fächern wie Deutsch, Englisch oder Mathe in den unteren Klassen, hatte ich das Gefühl hilfreich zu sein. Neben Nachhilfe spielte ich mit Kindern mit Konzentrationsproblemen Gedankenspiele wie Memory oder malte mit ihnen. Ich war sehr froh, dass ich so aktiv am Schulleben teilhaben durfte. Auch wenn diese noch keine pädagogisch anspruchsvollen Aufgaben waren, wurde meine Befürchtung an der Schule deprimierend nutzlos zu sein, schon früh aus der Welt geschafft. In der dritten Woche schloss meine Schule dann leider auf unbestimmte Zeit und macht Status-quo auch erstmal nicht mehr auf. Trotzdem war meine Orientierungsphase gelungen. Johanna hat mich sehr gut angeleitet und ein ziemlich perfektes Mittelding aus Zusehen und selber einbringen für mich gefunden. Auch half sie mir mit den Busverbindungen nach Sibiu, beim Beantragen von rumänischen Arbeitspapieren und anderen kleineren Komplikationen. Zudem bemühte sie sich immer darum, kleinere handwerkliche Aufgaben für mich zu haben, um die Lockdown Phase etwas interessanter zu gestalten. Alles in Allem hat Johanna die Rolle als Ansprechpartnerin/Mentorin also perfekt hinbekommen. Auch mit artefacts Unterstützung bin ich sehr zufrieden. Das Problem meiner „Arbeitslosigkeit“ wurde mit einem Übergangsjob als Gärtner in Gusterita geklärt. Auch bei Fragen bezüglich der Corona-Situation bekam ich immer eine schnelle Antwort. -Gesundheitlich fühle ich mich soweit ziemlich wohl. Ich bin jung und gehöre keiner Risikogruppe an, ein schwerer Krankheitsverlauf bei einer möglichen Corona Infektion wäre also recht unwahrscheinlich. Trotzdem hat Corona natürlich sehr großen Einfluss auf meinen Aufenthalt. Nachdem sich zwei Lehrer der Nachbarsschule infizierten, schloss auch meine. Zudem befindet sich Rumänien seit einigen Wochen im strengen Lockdown, Rausgehen ist nur zum Arbeiten und Einkaufen gestattet. Dem entsprechend ist die Situation für mich gerade etwas langweilig, da ich meine Freizeit hauptsächlich in meiner Wohnung verbringen kann. Thema Wohnung: Ich wohne in einer schönen, aber spartanisch eingerichteten Ein-Zimmer-Wohnung. Nach einigen Besuchen im Möbelhaus in Sibiu sieht sie auch schon viel heimeliger aus. Ab und zu fällt der Strom aus (meist nach starken Winden), blieb aber bisher noch nie länger als zwei bis drei Stunden weg.
Grüne Kirchenburg Gusterita, Foto P. Mostert
Kleinere Lebensmittelläden (in der Dimension eines Spaetis oder Tante-Emma-Ladens) gibt es in Rosia. Zum Milch, Wasser, Brot oder Bier kaufen sind diese Läden geeignet, für einen größeren Einkauf fahre ich aber einmal die Woche mit dem Bus nach Sibiu (Da haben sie sogar Kaufland und Penny). Der Rosia-Sibiu-Bus fährt zwar nicht häufig am Tag, kommt aber zuverlässig, auch wenn der Fahrstil der Busfahrer manchmal etwas fragwürdig ist. Im Monat bekomme ich 280 Euro, 140 für Verpflegung und 140 als Taschengeld. Das geht so weit eigentlich ziemlich gut auf. Zwar bezahle ich für Verpflegung schon etwas mehr als 140 Euro (ließe sich aber sicherlich auch geringer halten), dafür gebe ich die 140 Euro Taschengeld nicht ganz aus (Das wird sich zwar ändern, wenn die Freizeitgestaltung wieder etwas flexibler wird. Dann werde ich aber einfach an anderer Stelle etwas sparen). Alles in Allem bin ich also sehr zufrieden mit meinen ersten zwei Monaten als artefact-Freiwilliger in Rumänien. Gerade die ersten Wochen verliefen so, wie ich mir meine Zeit vorgestellt hatte. Kommunikation, Finanzen, Unterkunft und Arbeit waren gut geregelt. Freizeit und Arbeit wurden zwar mit zunehmenden Infektionszahlen eingeschränkt, dies ist aber eine Entwicklung, die nicht nur in Rumänien, sondern ganz Europa betrifft. Einen solchen Freiwilligendienst kann ich also nur empfehlen.