Transsylvanien – als Volunteer an einer Waldorfschule im Karpatenland

Julius Cario – IJFD Freiwilliger 2022-23

Vor meiner Ausreise nach Rumänien habe ich mir wenig Gedanken über die kommenden Monate und das komplett neue Leben dort gemacht. Nicht weil ich leichtsinnig bin, sondern weil ich es mir einfach nicht vorstellen konnte. Eine gewisse Sicherheit verspürte ich aber dank der Vorbereitungsseminare und des Kontakts zu Ehemaligen. Außerdem war es sehr hilfreich zur Eingewöhnung, dass die neuen Rumänien-Freiwilligen von artefact, nach der Ankunft erst einmal einen zehntätigen Sprachkurs in der Stadt Sibiu hatten, so dass wir uns gemeinsam einleben konnten.

Nach zwei Einführungswochen bin ich in Rosia gelandet. Einem beschaulichen Dorf, das von Sibiu aus mit dem Bus in weniger als einer halben Stunde zu erreichen ist und dass an klaren Tagen einen einzigartigen Blick auf die Karpaten hat. Dort liegt meine Einsatzstelle, eine Waldorfschule, die gegründet wurde, um Kindern benachteiligter Familien im Dorf Bildung zu bieten und im Rahmen  geregelter Betreuung zu ihrer individuellen Entwicklung beizutragen. – Ich fand mich in einer  komplett anderen Welt wieder, der Kulturschock hatte mich eingeholte.  Als ich das erste Mal durch Rosia spazierte, wurde ich gleich interessiert angeguckt und angesprochen. Meine Befürchtungen, als junger Deutscher nicht willkommen zu sein, lösten sich schnell in Luft auf. Vor allem von den Kindern, die mit Freude von meinen Vorgängern erzählten, wurde ich sehr herzlich empfangen. Sie bauten mir Brücken für das Einleben an der Schule.

Der Sprachkurs reichte zu Anfang zwar aus, um ein bisschen Small Talk zu führen, mehr aber auch nicht. Dementsprechend gestaltete sich die Kommunikation zu Beginn mit den Einwohnern, aber auch mit vielen Lehrern nicht ganz leicht. Doch die Kinder hatten kein Problem damit, im Gegenteil. Sie haben sich darüber amüsiert und wollten mich näher kennenlernen, sodass ich in den Pausen immer mit Spielen oder holprigen, aber für alle Beteiligten lustigen Gesprächsversuchen beschäftigt war. In den Unterrichtsalltag wurde ich von Anfang an sehr gut integriert. Dabei haben mir vor allem meine Ansprechpartnerinnen Johanna und Leila, die beide deutsch sprechen und Lehrerinnen an der Schule sind, sehr geholfen. Während ich zu Beginn vor allem in verschiedenen Klassen zuschaute, wurden mir mit der Zeit immer mehr Aufgaben erteilt. Darunter fällt vor allem, dass ich für einzelne Kinder, die Probleme haben, im Unterricht mitzukommen und sich zu konzentrieren, Einzelunterricht anbiete. Dabei braucht es zu Beginn keine komplexen Aufgabenstellungen, sondern einfache spielerische Methoden, um die Kinder zum Lernen zu motivieren. Darüber hinaus ist die Schule bemüht, den Kindern immer wieder besondere Events wie Reitstunden oder Filmabende zu bieten, an denen ich mitwirken kann, genauso wie bei der Nachmittagsbetreuung.

Meine Ansprechpartner haben bei Fragen oder Wünschen immer ein offenes Ohr für mich und geben mir das Gefühl, dass ich mir die Zeit nehmen kann, die ich brauche, um mich einzuleben.

Das Leben auf dem Dorf bringt manche Herausforderung mit sich. Zum einen gibt es hier nur wenige Einkaufsläden. Sie gleichen eher Kiosken, deren Sortiment vor allem Snacks und Softgetränke umfasst. Ab und zu fahre ich per Bus zum Einkaufen ins benachbarte Sibiu. Der Bus verkehrt zwar zuverlässig, aber leider vor allem am Wochenende nicht sehr regelmäßig. Zum anderen wird man hin und wieder mit neuen Situationen konfrontiert. So kann es schon gelegentlich zu unangenehmen Begegnungen mit Jugendlichen kommen, die aufdringlich werden und beispielsweise Geld einfordern wollen. Heikel können Spaziergänge außerhalb des Dorfes werden. Ich habe schon zweimal Besuch von Hirtenhunden bekommen, die einen in größeren Rudeln sehr aggressiv anspringen können. Damit in solchen Situationen nichts Schlimmeres passiert, sollte man vorbereitet sein.

Trotz dieser Szenarien bin ich sehr glücklich über die Wahl meiner Einsatzstelle. So komfortabel das Leben in der Stadt auch ist, haben die Begegnungen und das Leben auf dem Dorf meinen Horizont in sehr kurzer Zeit um einiges erweitert und mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Was ich vorher als selbstverständlich erachtet habe, bekommt plötzlich einen ganz anderen Wert, und ich genieße es immer wieder, Kinder lächeln zu sehen.

Dennoch bin ich auch froh, gelegentlich aus dem Dorf herauszukommen. Dabei hat es mir sehr geholfen, dass ich schnell in Kontakt mit weiteren Freiwilligen in der Umgebung gekommen bin. Auf Ausflügen und kleineren Reisen habe ich bereits viel von Transsilvanien gesehen. Ich konnte schöne, lebhafte Städte wie Sibiu oder Brasov erkunden und in die einzigartige Naturlandschaft eintauchen, die sich durch große, unberührte Waldflächen und natürlich die Karpaten auszeichnet.

Dieser Freiwilligendienst hat mich von Beginn an sehr bereichert und ich freue mich sehr darauf, hier noch viel mehr zu erleben.